TZI Teil 2: Die Postulate im TalentKompass-Prozess
Der Prozess lebt von einem Wechsel von Einzelaufgaben, Paar- oder Gruppenübungen und Methoden, die im Plenum gemeinsam bearbeitet werden.
In den Einzelaufgaben halten die Teilnehmenden Innenschau und reflektieren ihre eigene Biografie, ihre Haltung und ihre Muster.
Die anderen Methoden laden zum Austausch, zum lösungs- und ressourcenorientierten Feedback und zum gemeinsamen Brainstormen ein.
Dieser Wechsel fördert im Sinne des Chairperson-Postulats und des Störungspostulats die eigene Handlungsfähigkeit in Gruppensituationen.
1. Das Chairperson-Postulat fordert dazu auf, sich selbst zu leiten.
Das bedeutet,
- sich die eigene innere und äußere Wirklichkeit bewusst zu machen
- sich selbst wichtig zu nehmen
- Sinne, Gefühle und Gedanken zum Verständnis von sich selbst und der Umwelt zu nutzen
- Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung dafür zu übernehmen
Genau dazu läd der TalentKompass-Prozess ein und gibt Gelegenheit, das mit verschiedenen Methoden zu üben. Sie zielen darauf ab,
- sich der eigenen inneren Stimmen bewusst zu werden
- den verschiedenen Bedürfnissen, Wünschen, Motivationen und Ideen Raum zu geben
- alle Sinne zu nutzen
- die Intuition, den Verstand, das Wissen, die Körperwahrnehmung, die Empathie – auch für sich selbst – zu nutzen, um verantwortungsvolle und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen
- einander zuzuhören und sich klar auszusprechen
"Schau nach innen, schau nach außen und entscheide Dich dann". Ruth C. Cohn
Im Laufe des Prozesses treffen die Teilnehmenden viele Entscheidungen und Priorisierungen. Das ist anstrengend und für manche ist die Aufforderung, dies intuitiv und zügig, aus dem Bauch heraus, zu tun, ungewohnt.
Wie passiert das im TalentKompass-Prozess genau?
So wird zum Beispiel durch die Bildauswahl am Anfang des Prozesses der Verstand dadurch ausgeschaltet, dass die Anzahl der Bilder so groß ist, dass der Verstand die Motive nicht mehr überblicken und vergleichen kann. Die Entscheidung für das Motiv kann nur intuitiv getroffen werden.
Bei der Entscheidungsmatrix werden in kürzester Zeit 45 Entscheidungen getroffen, indem 10 Begriffe immer paarweise einander gegenübergestellt werden und man sich für einen der Begriffe entscheiden muss. Hierbei werden die Entscheidungen zumeist in einem blitzschnellen Abwägeprozess zwischen Bauch und Kopf getroffen.
Die Übungen mit biografischen Elementen zielen unter anderem darauf ab, sich des Wissens / der Kompetenzen bewusst zu werden, die im Laufe des Lebens angesammelt wurden.
Insbesondere das Werte-Thema eröffnet die Möglichkeit, sich intensiv mit der eigenen inneren Welt auseinanderzusetzen und damit, wie das eigene „Wertekostüm“ die Sicht auf die äußere Welt prägt.
Um komplexere Entscheidungen meistern zu können, das heißt, Entscheidungen, bei denen unterschiedliche innere Stimmen zugunsten unterschiedlicher (berechtigter) Bedürfnisse miteinander kämpfen, werden zum Beispiel somatische Marker hinzugezogen, um anhand einer Affektbilanz kluge Entscheidungen zu treffen. Einen Blogartikel dazu, was eine kluge Entscheidung in diesem Sinne ist, findest Du hier: https://www.traumjobformel.blog/gute-entscheidungen-treffen/.
2. Das Störungspostulat mit dem Wortlaut „Störungen haben Vorrang“ wird häufig eingefordert.
Es richtet die Aufmerksamkeit auf Störungen, oder besser auf Aufmerksamkeitsverschiebungen. Da diesem Begriff der negative Touch des Wortes Störung nicht anhaftet, sagt er mir mehr zu. Und man braucht ihnen übrigens den Vorrang gar nicht aktiv einzuräumen, sie nehmen ihn sich ohnehin. Wenn sie ignoriert oder verleugnet werden, behindern sie Lernen, Arbeit und Wachstum. Deshalb gilt es, sie ernst zu nehmen und so weit zu bearbeiten, bis die Teilnehmenden wieder handlungs- und arbeitsfähig sind.
Aufmerksamkeitsverschiebungen können alles Positive oder Negative sein, was Personen vom Mitmachen abhält, obwohl sie das eigentlich möchten. Der abgelenkte Teil bindet Energie, die für den Prozess fehlt. Daher sollte dieser unterbrochen werden, wenn jemand nicht aufmerksam teilnehmen kann, weil Belastendes oder Freudiges ablenkt oder jemand aus einem anderen Grund unkonzentriert ist.
Mögliche Quellen können sowohl innere Vorgänge körperlicher, emotionaler und rationaler Art als auch äußere Gegebenheiten physischer, ökologischer, sozialer oder politischer Art sein.
Im TalentKompass-Prozess werden innere tiefgreifende Veränderungen angestoßen. Gewohnte Denkmuster und Verhaltensweisen werden in Frage gestellt.
Neue Entscheidungen für eine noch unbekannte berufliche Zukunft werden getroffen oder zumindest in Erwägung gezogen.
Nächste Schritte werden geplant, um dem möglichen Ziel näher zu kommen.
Die Resonanz der verschiedenen Umfelder auf die neuen, noch nicht auf Realitätstauglichkeit geprüften Ideen ist ungewiss.
Das alles sind heikle Themen, die Teilnehmenden bewegen sich auf ungewohntem Terrain, zweifeln ihre Entscheidungen, ihre bisherige (berufliche) Identität und die eigene Selbstwirksamkeit an.
Der Schlüssel liegt darin, sich nicht der Illusion hinzugeben, dass Hindernisse, Ablenkungen und Beeinträchtigungen auf dem Weg zum Ziel die Ausnahme sind.
Sie sind nicht nur die regelmäßige Realität, sie sind meiner Erfahrung nach zwingende Aufgaben und Bestandteile des Prozesses, um das Ziel zu erreichen. Unter diesem Blickwinkel finden sich Möglichkeiten, sie zu überwinden.